Intelligentes Laden im Depot als zentrale Voraussetzung für den Betrieb von Elektrobussen

Intelligentes Lademanagement

Elektromobilität ist aktuell eines der meist diskutierten Themen im öffentlichen Nahverkehr. Nicht zuletzt, weil sich mit Elektrofahrzeugen die politischen Ziele und gesetzlichen Vorgaben zur CO2-Minimierung realisieren lassen. Doch Verkehrsunternehmen müssen sich trotz aller Euphorie auch kritische Fragen stellen. Etwa ob sich der Umstieg auch wirtschaftlich lohnt und welche infrastrukturellen Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der Einsatz von Elektrobussen im Linienverkehr praktikabel ist.

Kriterien, die den Einsatz von Elektrofahrzeugen gemeinhin begünstigen, sind ein einigermaßen planbares und regelmäßiges Mobilitätsbedürfnis bei insgesamt hohen Laufleistungen. Eben diese Grundvoraussetzungen sind im öffentlichen Nahverkehr systembedingt gegeben. Die durchschnittliche Laufleistung von Stadtbussen beträgt rund 220 km am Tag. Nach Herstellerangaben haben Elektrobusse mit heutigen Batteriekapazitäten schon Reichweiten zwischen 100 km bis 300 km – ohne Zwischenladung. Es ist damit für die vergleichsweise kurzen Strecken im Stadtgebiet heute schon, zumindest aber perspektivisch möglich, die erforderliche Tageslaufleistung zu erbringen, ohne Ladeinfrastruktur auf der Strecke aufbauen zu müssen. Der Ladevorgang kann in der Regel auf dem Betriebshof stattfinden, typischerweise als Übernachtladung oder ggf. auch tagsüber als Zwischenladung außerhalb der Hauptlastzeiten am Tag. Somit reduzieren sich sowohl die Investitionskosten in die Infrastruktur als auch die betriebliche Komplexität erheblich. Denn häufige Zwischenladevorgänge erschweren beispielsweise eine effiziente Umlauf- und Dienstplanung.

Einflussfaktoren für effizientes Lademanagement

Mit zunehmender Anzahl von Elektrobussen in der Flotte steigt jedoch der Koordinationsbedarf der Ladevorgänge. Denn in einem relativ kurzen Zeitfenster muss einer großen Anzahl von Fahrzeugen viel Energie zur Verfügung gestellt werden. Neben technischen und betrieblichen Anforderungen gilt es auch wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen, um ein effizientes Laden der gesamten Flotte zu ermöglichen. Dazu müssen wesentliche Bedingungen erfüllt werden:

  • Die Busse müssen für ihren Einsatz pünktlich und wohltemperiert wieder zur Verfügung stehen.
  • Die Anschlussleistung muss für den Ladevorgang der gesamten Flotte ausreichen.
  • Für alle Fahrzeuge müssen Anschlüsse zur Verfügung stehen, damit der Vorgang parallel und zentral gesteuert werden kann.
  • Die Gesamtlast im Netz muss balanciert werden, um Lastspitzen aus Kostengründen zu vermeiden.
  • Die Ladung muss möglichst batterieschonend erfolgen.


Darüber hinaus muss beachtet werden, dass im Depot noch weitere Arbeiten an den Fahrzeugen auszuführen sind, wodurch der Bus nicht während seiner gesamten Aufenthaltsdauer für Ladevorgänge zur Verfügung steht. Außerdem ist die Dauer der Ladevorgänge nicht nur durch die maximale Anschlussleistung determiniert, sondern bspw. auch abhängig vom individuellen Fahrzeug und der Umgebungstemperatur.

 

Zentrales Lademanagement

Um den Herausforderungen der Elektromobilität in Bezug auf parallele, gesteuerte und automatisierte Ladevorgänge im Depot gerecht zu werden, wird ein zentrales Lademanagementsystem benötigt, das Fahrzeuge, Ladepunkte, Energieversorgung und betriebliche Informationssysteme auf geeignete Weise verknüpft. Betriebliche Informationssysteme, wie das Planungs- und Dispositionssystem, Depotmanagementsystem oder auch das Intermodal Transport Control System (ITCS), versorgen das Lademanagementsystem mit den erforderlichen Informationen wie erwarteter Ankunft der Fahrzeuge, Zeitfenster für Ladung, geplanter Zeitpunkt für das Ausrücken am nächsten Tag inklusive Umlaufinformationen oder auch aktueller Ladestand der Batterie. Daraus berechnet das Lademanagementsystem den Ladebedarf für jedes Fahrzeug. Auf dieser Grundlage wird ein optimierter Ladeablauf für die gesamte Flotte errechnet. Ein ausgeklügeltes Lastmanagement vermeidet dabei teure Spitzenlasten im Netz. In der Folge werden die Aufladungen vom Lademanagementsystem durch Zuweisung von Ladezeitfenstern für jedes individuelle Fahrzeug automatisiert gesteuert und ihr Fortschritt überwacht. Falls erforderlich wird die Ladeabfolge angepasst und zyklisch aktualisiert. Dabei könnten sogar Verfügbarkeiten und im Besonderen auch Schwankungen auf der Energieseite berücksichtigt werden, wenn es gelingt, den Energieversorger in das System einzubeziehen.

Standardisierung

Durch die Vielzahl an Fahrzeugherstellern, Einzelkomponenten und betrieblichen Informationssystemen, die in einem zentral gesteuerten Lademanagement zusammenspielen müssen, ist ein hoher Grad der Vernetzung in der Gesamtarchitektur erforderlich. Da es ein relevantes Ziel vieler Verkehrsunternehmen ist, sich eine gewisse Unabhängigkeit von einzelnen Herstellern zu bewahren, sind Standardschnittstellen eine wesentliche Voraussetzung für Interoperabilität. Hier sind insbesondere drei Schnittstellen zu betrachten.

1. Schnittstelle
Zwischen Fahrzeug und betrieblicher IT im Fahrbetrieb

Während mit Bordrechnern ausgestattete Linienbusse schon seit vielen Jahren mit leistungsfähigen Hintergrundsystemen verbunden sind, ist die Verbindung zwischen eben diesen und der Fahrzeugelektronik meistens nicht oder nur rudimentär vorhanden. Damit stehen zwar betriebliche Informationen wie Position im Umlauf, aktuelle Verfrühung oder Verspätung oder die geplante Reststrecke am Tag zentral zur Verfügung, spezifische Informationen in Bezug auf Elektromobilität aber noch nicht. Neben proprietären Lösungen kann bislang lediglich auf die Flottenmanagementschnittstelle Bus-FMS verwiesen werden, die aber momentan noch nicht die (durchschnittliche) Restreichweite oder den aktuellen State-Of-Charge abdeckt.

2. Schnittstelle
Zwischen Fahrzeug und Ladepunkt während des Ladevorgangs
 

Mit der ISO15118 existiert ein Standard für die Ladekommunikation zwischen Fahrzeug und Ladeeinrichtung, der bereits sehr weit fortgeschritten ist. Grundlegende smarte Features wie zeitgesteuertes Laden, Plug & Charge oder Lastmanagement sind – angetrieben durch die PKW-Industrie – geregelt und durchaus auch für Busse geeignet. Nacharbeit ist nötig, wenn spezielle Features wie bspw. die Vorkonditionierung umgesetzt werden sollen.

3. Schnittstelle
Zwischen Ladepunkt und zentralem Lademanagement

Hier ist das Open Charge Point Protocol (OCPP) aktuell in der Version 1.6 verbreitet. Es kommt typischerweise zum Einsatz zwischen Ladesäulen und zentralen Einrichtungen, die Ladevorgänge gestatten und abrechnen, aber auch aus der Ferne starten oder stoppen können.

Die beiden zuletzt genannten Protokolle haben sich dem Ladevorgang aus unterschiedlichen Richtungen, etwa zeitgleich und unabhängig voneinander, angenähert und sind in ihren aktuellen Versionen noch nicht vollständig aufeinander abgestimmt. Es ist zu erwarten, dass sich das mit OCPP v2.0 deutlich cerbessern sollte. In Summe ist festzustellen, dass im Bereich der standardisierten Schnittstellen durchaus noch Handlungsbedarf besteht. Dennoch steht bereits jetzt eine hinreichende Basis für ein smartes Lademanagement zur Verfügung.

Fazit

Zusammenfassend ist bei der Einführung der Elektromobilität im ÖPNV nicht nur die eingeschränkte Reichweite, sondern auch das Lademanagement eine Herausforderung. Last im Netz zu balancieren, Lastspitzen zu vermeiden, Fahrzeuge schonend zu laden und rechtzeitig für den Einsatz wieder bereit zu haben, sind dabei wesentliche Ziele. Die Lösung ist ein zentrales Lademanagementsystem, das Fahrzeuge, Ladeinfrastruktur, betriebliche IT und Energieversorger verknüpft und alle Ladeprozesse plant, überwacht und optimiert.

MOBILE-ECO2

Die Software-Suite MOBILE-ECO2 von INIT umfasst mehrere technische Applikationen, die sich eine sehr enge Verbindung zum Fahrzeug zu Nutze machen. MOBILEvhm überwacht Fahrzeugzustände im laufenden Betrieb, vermeidet ungeplante Ausfälle und erhöht die Verfügbarkeit. MOBILEefficiency analysiert das Fahrverhalten in Bezug auf Sicherheit und Kraftstoffeffizienz und gibt Hilfestellungen für Optimierungen.

Neuestes Mitglied dieser Suite ist MOBILEcharge, die Applikation für intelligentes Laden von Elektrobussen. Sie ist zentrale Steuerungs- und Kontrollinstanz zwischen Ladeinfrastruktur, Fahrzeugen, Energieversorger und Systemen im Depot.

Kontakt

Heiko Bauer

CEO
CarMedialab
Germany