Autonom fahrende Busse im ÖPNV

Scania und INIT schließen sich im Forschungsprojekt iQMobility zusammen

Bislang standen bei der Erforschung des autonomen Fahrens im Öffentlichen Nahverkehr Minibusse für ca. 10 Fahrgäste im Fokus. Damit lassen sich die aktuellen Anforderungen nach mehr Flexibilität, z. B. in Form bedarfsgesteuerter Zubringerverkehre oder Mobilitätsdienste auf campusartigen Geländen, sehr gut erfüllen. Da jedoch Busse im urbanen Linienverkehr weiterhin eine dominante Rolle spielen werden, erforschen INIT und der schwedische Fahrzeughersteller Scania nun den ITCS gesteuerten autonomen Betrieb von Linienbussen.

Wie so oft stehen auch bei der Frage nach autonom fahrenden Bussen wirtschaftliche Gesichtspunkte im Kern der Betrachtung. Da Fahrpersonal immer schwerer zu gewinnen ist und darüber hinaus einen wesentlichen Kostenfaktor darstellt, bietet der Betrieb autonomer Busse Verkehrsunternehmen einige Vorteile. Erste Erfahrungen zeigen, dass soziale Auswirkungen durch neu entstehende Stellen im Bereich Service und Maintenance ausgeglichen werden können.

Bereits der autonome Betrieb auf den Betriebshöfen verspricht eine signifikante Kostenreduktion. Können Fahrzeuge zwischen Stellplätzen, Wartungs- und Betankungsstationen führerlos bewegt werden, reduziert sich die Zeit, die entsprechend qualifiziertes Personal aufwenden muss, um Fahrzeuge von A nach B zu lenken. Durch die stark vereinfachten Anforderungen eines geschützten Operationsbereichs steht zu erwarten, dass dieser Anwendungsfall schon in naher Zukunft realisiert wird. Aber am Ende der Entwicklung werden autonom betriebene Linienbusse sehr wahrscheinlich ein ganz normaler Bestandteil des Modalmixes werden. Deshalb wurde mit iQMobility eines der ersten Forschungsprojekte weltweit ins Leben gerufen, das die spezifischen Anforderungen an autonome Busse im ITCS gesteuerten ÖPNV-Linienverkehr untersucht.

Das Forschungsprojekt

Bei iQMobility handelt es sich um ein vom schwedischen Staat gefördertes Projekt unter der Leitung des schwedischen Fahrzeugherstellers Scania, der zur Volkswagengruppe gehört. Das Projekt beschäftigt sich mit der Untersuchung der spezifischen Anforderungen des öffentlichen Nahverkehrs bezüglich autonom fahrender Busflotten. Ziel ist es zu ermitteln, welche Informationen zwischen einzelnen Komponenten und Systemen ausgetauscht werden und welche technischen Spezifikationen diese erfüllen müssen. Es gilt, nicht nur bei den Bussen die Fertigkeit des Fahrens zu entwickeln, sondern auch ihre Einbindung in ein Leitsystem und andere im ÖPNV erforderliche IT-Lösungen zu ermöglichen. Nur wenn dies gelingt, können autonom fahrende Linienbusse im ÖPNV wirklich zum Einsatz kommen. Nach langer Evaluierung entschied sich Scania für INIT, den weltweit führenden Anbieter integrierter Telematiksysteme, als Partner für die Einbindung von autonomen Bussen in bestehende ÖPNV Strukturen.

Anders Ställberg, Project Manager for City Automation bei Scania, erläutert: „Wir bei Scania arbeiten an der Entwicklung autonomer Transportsysteme, die autonome Fahrzeuge in ihren Kontext setzen. Nicht die Fahrzeuge selbst stellen die Lösung dar, sondern die Art und Weise, wie sie genutzt und in ein ÖPNV-Gesamtsystem eingebunden werden. Um die Herausforderungen, die sich bei der Einführung autonomer Fahrzeuge im Öffentlichen Personennahverkehr stellen, vollständig verstehen zu können, benötigten wir aber einen starken Partner. Den haben wir in INIT gefunden. Wir müssen lernen zu verstehen, wie sich unsere cloud-basierte intelligente Steuerumgebung und unsere Fahrzeuge mit einem zeitgemäßen ÖPNV-Leitsystem integrieren lassen, damit alle Komponenten gemeinsam die Anforderungen der Kunden erfüllen können.“

Das primäre Ergebnis des Projektes soll die Entwicklung eines prototypischen Transportsystems für den automatisierten städtischen ÖPNV sein. Drei Bereiche stehen dabei im Fokus: Planung, Steuerung und Depotmanagement. Daraus ergeben sich folgende zu untersuchende Fragestellungen: Welche für den autonomen Betrieb zusätzlich erforderlichen Informationen müssen in ÖPNV-Planungssysteme aufgenommen werden? Wie können Fahrpläne und dispositive Maßnahmen des Intermodal Transport Control Systems (ITCS) in konkrete Fahranweisungen übersetzt werden, welche die Steuereinheiten der Fahrzeuge korrekt interpretieren? Welche Erweiterungen oder Anbindungen an Planungs- oder Leitsysteme sind in einem Depotmanagementsystem erforderlich, damit es das autonome Fahren unterstützen kann?

Spezifische Anforderungen des ÖPNV

Traditionell liegt das Führen eines Busses in der Hand eines Fahrers, der seine Anweisungen und alle benötigten Informationen über den Bordrechner von einem ITCS erhält. Wird das Fahrzeug autonom betrieben, müssen drei maßgebliche Aufgabenstellungen des Fahrers durch IT-Systeme ersetzt werden. Mit deren Erforschung beschäftigt sich das iQMobility Projekt: absolut sicheres Fahren, flexible Betriebssteuerung in Echtzeit und die Interaktion mit dem Fahrgast. Da das sichere Fahren von äußerster Wichtigkeit ist, gewährleisten die Bushersteller die hervorragende Anbindung der Fahrzeuge an ihre Backoffice- Systeme. Die logische Konsequenz daraus ist, dass Fahranweisungen und alle anderen kritischen Anweisungen direkt vom Backoffice- System des Busherstellers erteilt werden. Diesem Ansatz folgt iQMobility auch für die Übermittlungen von im ITCS erstellten Anweisungen. Sie werden vom ITCS an das Scania Backoffice übermittelt, wo sie in konkrete Fahranweisungen für das Fahrzeug „übersetzt“ werden.

„Ein Kernthema, dem sich zukünftige ITCS Systeme stellen müssen, ist es, die Streckeninformationen zu ersetzen, die heute noch vielfach von den Fahren gemeldet werden. Außerdem müssen Disponenten nun auch die Entscheidungen übernehmen, die bislang von den Fahrern selbständig getroffen wurden“, führt Kai Brückner, Head of Department Real-Time Systems bei INIT, aus. „Über viele Mechanismen verfügt unser ITCS bereits heute, wie etwa die automatische Stauerkennung oder spontane Umleitungen. Diese müssen aber sicher noch intensiver genutzt und wahrscheinlich auch erweitert werden – was wir nun in diesem spannenden Projekt untersuchen.“

Bislang ist noch nicht definiert, wie die Funktionen von Fahrgastinformation, Ticketing, Fahrgastzählung etc. implementiert werden. Sehr wahrscheinlich wird dafür weiterhin eine direkte Anbindung an das ITCS bestehen. Die Aufgabenstellung der Interaktion mit den Fahrgästen wird etwas schwieriger zu lösen sein.

Kontakt

Dr. Roxana Hess

Product Manager MaaS
Team Manager Research
INIT GmbH
Deutschland