Den ÖPNV auf die nächste Stufe bringen – um dies zu erreichen, braucht es ein Zusammenspiel vieler Digitalisierungstechnologien und Innovationen: Automatisierung, Künstliche Intelligenz (KI), Big Data sowie Standardisierung und Interoperabilität innerhalb der Industrie werden es Bus und Bahn ermöglichen, das Rückgrat intelligenter Mobilität zu bilden. Mit einem klaren Fokus auf die Bedürfnisse der Fahrgäste und die Benutzerfreundlichkeit werden diese Innovationen die Mobilitätswende auf nachhaltige Weise fördern.
Die Grundlage von Künstlicher Intelligenz bilden Daten. Und die sind bereits jetzt schon reichlich vorhanden. Ob historische oder Echtzeit-Verkehrsdaten, Daten aus dem Ticketing, der Fahrplanauskunft oder dem Flottenmanagement: Die gesammelten Daten sind mittlerweile so detailliert und umfangreich, dass sie für das Training von Algorithmen weiterverwendet werden können. Die Anwendung von KI auf diese Daten kann Veränderungen und Trends präziser und in kürzerer Zeit aufzeigen. Das ermöglicht verbesserte Abfahrtsprognosen, eine optimale Routenplanung sowie schnelle Reaktionen auf aktuelle Ereignisse wie Unfälle oder Staus.
Erheblich verbesserte Abfahrtsprognosen dank Maschinellem Lernen
In einem Pilotprojekt von INIT und Golden GateBridge, Highway & Transportation District in San Francisco wurde beispielsweise mithilfe einer KI-basierten Softwarelösung der österreichischen INIT Tochter inola die Genauigkeit der Abfahrtsprognosen von Bussen erheblich verbessert, im extremsten Fall von 49 auf bemerkenswertte 87,47 Prozent. ML-Core, das Softwareprodukt von inola, stellt Prognosen auf Basis historischer Daten und Echtzeitinformationen zur Verfügung. Es verwendet innovative Algorithmen zur Mustererkennung und kann große Datenmengen (Big Data) verarbeiten. In MOBILEstatistics, unserem Auswertungs- und Statistiksystem, werden die Betriebsdaten gesammelt und mit vielen weiteren Informationen wie Fahrzeiten aufbereitet. Auf dieser Datengrundlage aufbauend, stehen dem inola ML-Core unterschiedliche Methoden zur automatischen Mustererkennung und Zeitprognose zur Verfügung. Die jeweils beste Methode wird von der Software automatisch erkannt und eingesetzt. Verschlechtert sich die Prognosequalität, wird automatisch ein Neutraining des ML-Modells angestoßen. Somit werden Veränderungen im Verkehrsfluss oder Linienänderungen sofort erkannt und abgebildet. Mit herkömmlichen Prognoseverfahren wäre dies nicht möglich.
Auf der Basis des trainierten Modells berechnet das ML-Core eine Fahrtzeitprognose für alle Fahrtabschnitte. Aus diesen Einzelwerten werden dann die neu prognostizierten Abfahrtszeiten für die Haltestellen zusammengesetzt und an die diversen angeschlossenen Systeme weitergegeben. Dabei werden auch aktuelle Verkehrseinschränkungen oder die Fahrtdauer der unmittelbar vorausfahrenden Fahrzeuge berücksichtigt. Fahrgäste können direkt die Live-Prognosen einsehen, so wird die Fahrt noch besser planbar. Die Konsequenz: Die Zufriedenheit der Fahrgäste steigt, denn dadurch gibt es keine Sprünge in der Ankunftsprognose mehr.
In INITs MOBILE-ITCS nextGen ist die ML-Prognose standardmäßig enthalten.
Mit KI zu zuverlässigeren Auslastungsinformationen und mehr Fahrgastkomfort
Die Kenntnis darüber, wie voll ein Bus oder eine Bahn werden wird, erlaubt Fahrgästen, ihre Reisepläne entsprechend anzupassen und gegebenenfalls auf eine weniger ausgelastete Verbindung auszuweichen. Dafür sind zuverlässige Informationen über die Auslastung der Fahrzeuge in Echtzeit erforderlich, wie sie MOBILEguide, unser System zur Auslastungsinformation und Fahrgastlenkung, liefert. Die technologische Herausforderung liegt dabei in der Bereitstellung einer soliden Datenbasis zur Bestimmung des erwarteten Besetztgrades eines Fahrzeugs. MOBILEguide nutzt dafür State-of-the-art-Technologien und ausgefeilte Algorithmen auf Basis einer hochmodernen Systemarchitektur. Sind Fahrzeuge nicht mit Zählsensoren ausgestattet, werden weitere Datenquellen herangezogen, beispielsweise WLAN- und Bluetooth-Signale von Smartphones oder Anfragen an die Verbindungsauskunft und die mobilithek des BMDV, ein offenes Datenportal, das Mobilitäts-, Geo- und Wetterdaten zur Verfügung stellt.
Die aktuelle Auslastung wird anhand der übertragenen Ein- und Aussteigerzahlen nach jeder Abfahrt von einer Haltestelle ermittelt, mit Fahrplandaten verknüpft und auf Plausibilität geprüft. Damit liegt eine tatsächlich gemessene Anzahl der Fahrgäste in einem Fahrzeug vor. Unter Heranziehung der Fahrzeugkapazitäten wird die aktuelle Auslastung berechnet und abgespeichert.
Für die Ermittlung einer in der Zukunft liegenden Auslastung kommt ein patentiertes Verfahren und ein KI-Algorithmus zum Einsatz. Damit wird im Hintergrundsystem der Echtzeit-Besetztgrad mit dem aus historischen Daten gewonnenen typischen Ein- und Ausstiegsverhalten an der Folgehaltestelle korreliert. Auf diese Weise findet auch die Zahl der voraussichtlichen Aussteiger Berücksichtigung. Damit übertrifft die INIT Lösung herkömmliche Systeme bei Weitem an Zuverlässigkeit.
Die so gewonnenen Informationen können dann z.B. im Intermodal Transport Control System MOBILE-ITCS für den Disponenten dargestellt werden. Am wichtigsten aber ist die Verteilung der Auslastungsinformationen über die Kanäle der Fahrgastinformation, zum Beispiel über Apps oder Websites der Verkehrsunternehmen. Denn so können Fahrgäste ihre Reisepläne entsprechend anpassen und gegebenenfalls auf weniger ausgelastete Verbindungen ausweichen, was wiederum für eine gleichmäßigere Auslastung sorgt.
Forschungsfeld KI
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz ist Teil zahlreicher Forschungsprojekte, die uns bei der Weiterentwicklung unserer Produkte und Lösungen unterstützen. So beschäftigt sich das Verbundvorhaben KARL (Kompetenzzentrum KARL - Künstliche Intelligenz für Arbeit und Lernen in der Region Karlsruhe) mit den Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf das Arbeitsumfeld und die Betriebsorganisation. Ziel ist es, menschzentrierte, transparente und lernförderliche KI-unterstützte Arbeits- und Lernsysteme zu konzipieren und praktisch zu erproben. Innerhalb des Forschungsprojektes KARL erforscht INIT deshalb KI-basierte Assistenzlösungen zur Unterstützung des Leitstellenpersonals. Die KI soll derart trainiert werden, dass sie eine Vielzahl an relevanten Faktoren mit einbezieht und, basierend auf vergangenen Situationen, genau an die jeweilige Situation angepasste dispositive Maßnahmen vorschlägt
Im Forschungsprojekt DaKiMo soll aufgezeigt werden, wie Mobilitätsdaten mithilfe von künstlicher Intelligenz aufbereitet und mit weiteren Daten, etwa zur Verkehrslage oder Witterung, angereichert werden können, um intelligente Informationsdienste für Bürger und Wirtschaft zu schaffen. Das Ziel ist es, ressourceneffiziente und nachhaltige Mobilität zu fördern und so einen Beitrag zur Verkehrswende zu leisten. Im Rahmen des Projekts wird INIT ihre Expertise zu den Datenstrukturen im Öffentlichen Nahverkehr einbringen und die heterogenen Daten aus dem Mobilitätsumfeld zusammen mit den Projektpartnern mithilfe von KI-Verfahren aufbereiten.
Kundenfreundlicher und effizienter Bedarfsverkehr vom ersten bis zum letzten Kilometer
Unsere integrierte Buchungs-, Dispositions- und Optimierungslösung für Bedarfsverkehre MOBILE-FLEX ist ein weiteres Beispiel für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Das Thema First/Last Mile spielt eine große Rolle im Bestreben, im Zuge der Mobilitätswende mehr Fahrgäste für den ÖPNV zu begeistern. Denn für die Fahrgäste wird eine reibungslose Beförderung vom Ausgangsort der Reise, wie etwa der Wohnung, zum Startpunkt des jeweiligen Verkehrsmittels (First Mile) sowie vom Zielpunkt des jeweiligen Verkehrsmittels (etwa Hauptbahnhof) bis zum eigentlichen Reiseziel (Last Mile) immer entscheidender für die Nutzung des ÖPNV. Das hat zur Folge, dass für Verkehrsbetriebe abgestimmte Bedarfsverkehre, etwa im ländlichen Bereich oder auch in Schwachlastzeiten des Stadtverkehrs immer wichtiger werden.
Mit MOBILE-FLEX bieten wir ein Produkt, das vom Bedarfslinienbetrieb mit einzelnen Bedarfshaltestellen über Richtungsband- oder Sektorbetrieb bis zum vollflexiblen Flächenbetrieb mit Ridepooling alle gängigen Betriebsformen unterstützt. Auch hier spielt künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle, denn: Ein KI-basierter Optimierungsalgorithmus verknüpft die Fahrtwünsche der Fahrgäste effizient und kundenfreundlich. Die hohe Performance erlaubt kurze Buchungsfristen auf Basis der Echtzeit-Fahrzeugpositionen sowie Ridepooling mit virtuellen Haltestellen, Adressen oder Geokoordinaten. Durch die Vorgabe von Fixpunkten (zur strategischen Positionierung des Fahrzeugs, etwa Betriebshof oder Bahnhof) und -zeiten verbindet MOBILE-FLEX die Flexibilität eines modernen Flächenbetriebs mit den betrieblichen Erfordernissen des ÖPNV.
Fazit: Öffentlicher Nahverkehr ist im Wandel. Verkehrsunternehmen sind als Mobilitätsdienstleister ihrer Region gefordert, mithilfe moderner Informationstechnologie diesen Wandel fahrgastfreundlich voranzutreiben. Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz sind wichtige Hilfsmittel für mehr Fahrgastzufriedenheit und Effizienz. Um die Mobilität der Zukunft schon jetzt zu erschaffen.